Ein Wissensspeicher keltischer Kultur am Glauberg
Das Alleinstellungsmerkmal des Glaubergs besteht in seiner landschaftlichen, historischen und archäologischen Identität. Einzigartige örtliche bzw. typologische Merkmale wie das von Wald umgebene flache Hochplateau des Berges sowie die Grabhügel und die in der Umgebung gefundenen Fundamentlöcher keltischer Architektur tragen maßgeblich zu dieser Wirkung bei. Das Gebäude wird zum Speicher keltischer Kultur und bildet gemeinsam mit dem Museum und dem archäologischen Park eine Einheit der Wissens- und Geschichtsvermittlung am Glauberg.
Das Areal der Keltenwelt am Glauberg ist geprägt durch eine horizontale Schichtung des Hanges aus Erdwällen, Hecken, Mauern und der Wald- und Bergkante und zeigt so eine erdverbundene Linearität. Der Neubau greift dieses Prinzip der Horizontalität auf und schiebt sich als längs gerichteter Baukörper mit maximaler Ausdehnung entlang der Grundstückskante eingeschossig in den Hang. Die so sichtbare Südfassade erhält den Charakter einer Mauer, die sich aus der Topografie entwickelt und eine klare, obere Abschlusskante besitzt.
Von der historischen und architektonischen Identität der Kelten heute noch erhalten sind die Abdrücke der Fundamente und Pfähle, von denen ausgehend sich keltische Bautypologien und-prinzipien ableiten lassen. Dieses Fragment der erhaltenen Pfahllöcher keltischer Architektur wird aufgegriffen und rekonstruktiv in eine moderne, dreidimensionale Formensprache des Tragwerks abstrahiert, das sich als kubischer Pavillon vom Untergeschoss freispielt und auskragend auf den Hangbaukörper setzt.
Die äußere Gestalt des Forschungszentrums gliedert sich klar in die beiden Ebenen aus zentriertem Pavillon und langgezogenem Hanggeschoss. Diese Gliederung setzt sich programmatisch in der Nutzungsverteilung im Inneren fort. Das Erdgeschoss zeigt sich als allseitig offener und einladender, öffentlicher Pavillon, während die Forschungs- und Werkstattebene im Untergeschoss eine introvertierte und schützende Außenwirkung besitzt und durch die Linearität das Prozesshafte der Forschung vom archäologischen Fund bis hin zum wissenschaftlich untersuchten Ausstellungsstück unterstützt.
Die Büros und Werkstatt- bzw. archäologischen Räume der Mitarbeiter sind bewusst auf einer Ebene zusammengefasst, um im Forschungs- und Arbeitsalltag eine möglichst niederschwellige, kommunikative und gleichberechtigte Umgebung der Mitarbeiter zu erreichen. Während sich die Büros und Werkstatträume entlang der Mauer bzw. Südfassade anordnen, schieben sich die dienenden Lager- und Archivräume in den Hang und bilden den Rücken des Gebäudes. Der offene Pavillon im EG gibt den räumlichen Impuls für die Aufteilung der Forschungsräume im UG und schafft so im zentralen Multifunktions- und Besprechungsraum eine Überlagerung und Begegnung des wissenschaftlichen Büro- und archäologischen Werkstattbereichs.
Um dem Anspruch einer nachhaltigen Bauweise, die sich aus dem Ort und seiner Geschichte heraus entwickelt, gerecht zu werden, reduzieren sich die nach außen konstruktiv sichtbaren Materialien auf zwei wichtige Bau- und Konstruktionsmaterialien keltischer Architektur – Lehm und Holz. Diese Materialien werden im Neubau einzeln aus dem Verbund herausgerückt und materialgerecht eingesetzt.
In der Fernsicht ordnet sich das Untergeschoss des Forschungszentrums als Mauer wie selbstverständlich in die terrassierte Hanglage ein und nur der aufgesetzte flache Pavillon wird als gläsernes und transparentes, von der Landschaft allseitig durchspültes Gebäude sichtbar. Durch das auf einen eingeschossigen Pavillon minimierte Bauvolumen, kann dem Ziel der Erhaltung der Sichtachsen vor Ort entsprochen werden. Das Gebäude zeigt sich als kleiner lichter öffentlicher Solitär am Endpunkt des archäologischen Parks. Er spannt in seiner klaren kubischen Formensprache einen Bogen zum bestehenden Museumsgebäude und unterstützt die archäologische und wissensvermittelnde Funktion des Gesamtensembles der Keltenwelt. So ist das historische Erbe des Ortes für die Zukunft bewahrt und kann aktiv weitergetragen werden. Der ergänzende Forschungsbau ist ein wichtiger Stützpfeiler in diesem zukunftsorientierten Gesamtkonzept und hat daher auch eine entscheidende Öffentlichkeitsfunktion, Forschungsarbeit transparent und sichtbar zu machen, um so dem Lehrauftrag eines UNESCO-Welterbes gerecht zu werden. Dies legitimiert die besondere Identität eines Pavillons im Park und die Lage der öffentlichen Nutzung im EG, in dem die Forschung in Form von Vorträgen und Ergebnissen auf sich aufmerksam machen kann und mit Mensch und Umwelt interagieren kann.
Das Gebäude dokumentiert und interpretiert in Städtebau, Konstruktion und Materialität die einzigartige Geschichte und Identität des Ortes und transformiert sie in einen modernen Kontext, der der Bauaufgabe eines Forschungszentrums gerecht wird und die Bedeutung des Glaubergs als UNESCO-Welterbe unterstützt.