Steinheims Ortskern ist geprägt von seinem umfangreichen frühneuzeitlichen Baubestand insbesondere an Fachwerkhäusern. Unser Entwurf nimmt die Typologie des giebelständigen Hauses mit steilem Dach auf und gliedert die Baumasse in einzelne Gebäudeteile, die, zueinander versetzt, das Thema des Holzgefachs auf massivem Sockel modern interpretieren. Auf diese Weise gelingt es, die funktionalen Zusammenhänge zu wahren ohne die ortstypische Körnung zu verlassen. Damit bleibt die örtliche Identität bis in die Materialwahl gewahrt. Die ortstypische Fachwerkbauweise wird auf ihre charakteristischen Gestaltungselemente reduziert und über Prinzipien der Abstraktion und Transformation in einen modernen Kontext gebracht und so eine im Ort verankerte Architektursprache geschaffen.
Die Setzung des Neubaus ermöglicht eine ungehinderte Sicht auf das historische Rathaus, wobei die Staffelung der einzelnen Gebäudeteile eine adäquate Rahmung des Marktplatzes ermöglicht bei gleichzeitiger Stärkung der innerörtlichen Wegebeziehungen. Zum Marktplatz hin öffnet sich der Neubau über ein großzügig verglastes Erdgeschoss, in dem sich das Bürgerbüro als leicht erreichbare und gut einsehbare Anlaufstelle für die Bewohner Steinheims befindet. Zugleich signalisiert der verglaste Giebel die Öffentlichkeit des großen Sitzungssaals und stellt den Bezug zum Alten Rathaus her. Das Bestandsgebäude Badtorstraße 2 wird denkmalgeschützt saniert und zum „Haus der Vereine" revitalisiert und erhält im Erdgeschoss die öffentliche Nutzung eines Cafés, das sich zu beiden Seiten auf den Platz erweitert. In den Obergeschossen befinden vielfältig nutzbare Vereinsräume.
Durch die Umgestaltung des Marktplatzes werden die historischen Fassaden herausgestellt und der Durchgangsverkehr optisch und funktional reduziert. Hierfür wird der historische Brunnen in die Mitte des Gesamtplatzes verlagert und durch eine Fläche großformatiger Platten gefasst. Zu den Platzrändern wird durch einen richtungslosen Pflasterbelag eine offene und einheitliche Platzfläche gestaltet. Sitzelemente in freien Formen schaffen Akzente. Das gesamte Quartier, vor allem um die neuen Gebäude, wird durch Baumreihen und ein Baumkarree gefasst.
Die Verlagerung der Stellplätze ermöglicht die Gestaltung eines durchgehenden, multikodierten Uferparks entlang der Murr. Neue Gestaltungselemente, Modellierungen und eine fließende Wegeführung machen den neuen Park am Fluss erlebbar. Gleichzeitig schaffen sie eine attraktive Verbindung zum neuen Quartier. Dieses ist geprägt von einem lockeren Ensemble aus Einzelbaukörpern, die sich um einen offenen Platz gruppieren. Sowohl die Bebauung als auch der Platz öffnen sich zur Murr hin und binden das bestehende Gebäude mit Café ein.
Die Errichtung des Neubaus als modularer Holz-Hybridbau trägt dem Wunsch nach höherer Nachhaltigkeit in der Erstellung öffentlicher Bauten Rechnung. Die wesentlichen Teile der Tragstruktur wie Stützen und Träger bestehen aus Holz, während die Decken aus Schallschutz- und Brandschutzgründen in Holz-Beton-Verbundbauweise vorfabriziert werden. Die dadurch eingebrachte Masse der Deckenelemente trägt zur besseren thermischen Nutzung der Gebäudemasse bei. Die Erschließungselemente aus R-Beton übernehmen die Aussteifung des Holztragwerks. Eine nachhaltige Energieversorgung des neuen Rathauses wird durch eine dachintegrierte Photovoltaikanlage unterstützt.
Durch die modulare Bauweise ist eine hohe Flexibilität im Innenausbau auch bei nachträglichen Veränderungen der Raumstruktur gewährleistet. Eine freie Möblierung der Kombizone zwischen den fassadenbegleitenden Räumen in den Obergeschossen wirkt auf die Besucher gleichermaßen einladend und freundlich. Das durch Arkadenelemente aus eingefärbtem Beton abgesetzte Erdgeschoss nimmt das historische Sockelthema der Fachwerkhäuser auf und bildet den städtebaulichen Rahmen des Ensembles. Darauf erhebt sich eine filigrane Holzstruktur als zeitgenössische Interpretation des ortstypischen Fachwerks.