Am Schieferbuckel, Reutlingen

Der Entwurf versucht auf die unterschiedlichen Anforderungen und Erwartungshaltungen an den Wettbewerb eine einfache, logische und zugleich zeitgemäße Antwort zu geben, ohne die räumliche und topographische Vielschichtigkeit des Areals preiszugeben.

Die Zäsur der Topografie durch die Hangkante, die die alte Tongrube in den Schieferbuckel gegraben hat, teilt das Gelände wie selbstverständlich in zwei Bereiche. Diese widerspiegeln sich in zwei stadtstrukturell unterschiedlich ausgeprägten Quartieren:

Die bereits geplante Bebauung für den Bereich „Sickenhäuser Straße/Gellertstraße" findet ihre Fortsetzung als verdichtetes Wohnen entlang der Schieferstraße in aufgelöster Blockstruktur sowohl im Plangebiet West (bis zur Hangkante), als auch im Plangebiet Ost (bis zur Eishalle) und wird so als ein zusammenhängendes Stadtquartier lesbar. Das Quartier der Schieferterrassen, der innerstädtischen Südhanglage, nimmt Bezug auf das Hufeisen der Werksiedlung Gmindersdorf und die Körnung des nördlich angrenzenden Wohngebiets Römerschanze, mit verdichtetem Bauen niedrigerer Gebäude entlang der Höhenlinien als Interpretation und Variation des Gartenstadtgedankens.

Die unterschiedlichen städtebaulichen Strukturen reagieren jeweils quartiertypisch in Bezug auf Zwischenräume, Vernetzung und Gebäudehöhen und bilden so unterschiedliche quartiertypische städteräumliche Qualitäten aus. Durch kleinräumliche Ausdifferenzierung werden im unmittelbaren Wohnumfeld Bereiche angeboten, die der Förderung der Nachbarschaften dienen und von den Bewohnern genutzt werden können.

Ein durchgehender Grünzug, das Grüne Band, verknüpft die Quartiere untereinander und im Nahbereich, vernetzt überörtlich mit den umgebenden Stadtteilen und dient als Frischluftschneise und der lokalen Kaltluftproduktion. Mit seiner Großzügigkeit bietet es Raum und die Offenheit als quartiersnaher Ort der Begegnung, der Freizeitgestaltung oder der Erholung durch die unterschiedlichen Alters- und Bewohnergruppen interpretiert und erobert zu werden. Mit seinen vielfältigen topografischen und landschaftlichen Elementen und Flächen, die nur extensiver Pflege bedürfen (z.B. Mahdwiese), bindet das Grüne Band gleichzeitig die Quartiere zusammen.

Die Lage am oberen Rand der Hangkante bzw. des Südhangs bietet die Möglichkeit eines Panoramaweges, der die Landschaft der Schwäbischen Alb zum integralen Bestandteil werden lässt. An den Schnittstellen zum urbaner ausgeprägten Grünen Band der „Sickenhäuser Straße/ Gellertstraße" werden als innere Verknüpfungspunkte kleine Quartiersplätze angeordnet. Hier befinden sich ergänzende Angebote der täglichen Versorgung (z.B. Bäcker) oder Attraktoren wie ein Eisladen. Es wird vorgeschlagen diesen beiden Verknüpfungspunkten jeweils eine Bushaltstelle zur Anbindung an die Stadt zuzuordnen. 

Der Lärmschutz im südlichen Bereich wird als landschaftliches Element (Wall und Wald) auf der in diesem Teilbereich rückgebauten Justinius- Kerner-Straße vorgeschlagen, das den landschaftlichen Lärmschutz am Knoten Schieferstraße / Rommelsbacher Straße wiederholt. In Zusammenspiel mit den Blickbeziehungen in die Schwäbische Alb wird sich auf den Schieferterrassen das Gefühl einstellen, mitten in der Landschaft zu wohnen.

Schallabschirmende Riegelbebauung mit einer strikten Zonierung des Grundrisses, Schlafräume ausschließlich zum ruhigen Hofbereich orientiert, bildet eine lärmangepasste Bebauung entlang der Schieferstraße. Bauliche Maßnahmen komplettieren einen guten Schallschutz auch der lärmzugewandten Wohnzone (Außenwände 30cm KS RDK 2.2 (64db), Fensteröffnungen mit zwei Schichten nach dem Wintergartenprinzip (SSK1+SSK3: 25db+40db) oder Kastenfensterprinzip (60db), Rollläden (-10db), wohnungsinnere Schallschutzwand 24cm KS RDK 2.2 (61db) zu den Schlafräumen, ggf. ergänzt durch kontrollierte Be- und Entlüftung mit WRG).

Die Büroriegel entlang der Eishalle und des Parkhauses dienen einer effektiveren Nutzung des Baugebietes insgesamt, indem sie als Puffer wirken, der es erst erlaubt, die Wohnbebauung ohne breite Abstandsflächen an die Eishalle heranrücken zu lassen. Der dritte Büroriegel kann als Teil des Mehrzweckgebäudes aufgefasst werden. Wird dieses nicht realisiert, verbleibt die Fläche dem Grünen Band. Die derzeitigen längsseitigen Nebenräume der Eishalle können zur besseren direkten Anbindungen an das Parkhaus und das Mehrzweckgebäude durch neue ersetzt werden. Die Trainingseisfläche wird auf gleichem Niveau wie die Eisfläche der Halle angeordnet als integraler Bestandteil des Parkhauses. Die Spange Parkhaus-Eishalle-Mehrzweckgebäude wird samt als Sondergebiet zusammengefasst.

Durchgangsstraßen längs durch das Quartier werden ebenso vermieden, wie eine Überlastung der Knoten. Nur die Erweiterung der Gartenstadt wird für den Autoverkehr über die Heppstraße angebunden, das Gebiet West über den neuen Knoten der Justinius-Kerner-Straße, das Gebiet Ost über die Rommelsbacher Straße. Spielstraßen, die von Sonderberechtigten benutzt werden dürfen, gewährleisten das einfache Umfahren der Cluster durch die Müllabfuhr oder Feuerwehr, ohne Schleichverkehr zu provozieren. Dagegen sind die Teilgebiete mit Fuß- und Radwegen mit der Umgebung durchgehend dicht vernetzt. 

Im Sinne sozialer Durchmischung wird vorgeschlagen die gebundenen Wohnungen, einschl. der zusätzlichen Wohneinheiten für Geflüchtete mittels einer über alle Gebäude gleichmäßigen Verteilung des Drittelmixes zu gewährleisten. Wohneinheiten für den freien Markt komplettieren die jeweiligen Blöcke.

Die Flachdächer der Gebäude werden zur Erzeugung von Solarenergie herangezogen, zum anderen Teil als Gründächer ausgebildet zur Verzögerung des Regenwasserpeaks. Die von einem höher gelegenen Standort (z.B. Panoramweg) einsehbaren Dachflächen sind, sofern keine Dachterrassen, als Gründächer ausgebildet, die höher gelegenen als Solardächer; nach diesem Prinzip kann ein Anteil von Solardächern von deutlich über 50% erreicht werden.

Der Vorschlag kann mit ca. 36.000m² BGF Wohnen zur Wohnbauoffensive Reutlingen beitragen. Das Baugebiet ist sukzessive verwirklichbar.

Art

Städtebaulicher Ideenwettbewerb, 2018

Ort

Reutlingen

Auslober

Stadt Reutlingen

Bearbeiter

M. Dürr | H. Baurmann | T. Quynh | K. Zahorszky

Visualisierung

Stuchlik 3D

Modellbau

werkplan

Publikationen

competitionline 23.07.2018